Demjanjuk: Täter und finaler Sündenbock?

Ivan Demjanjuk

Der niederländische Strafrechtsexperte Christiaan F. Rüter wies in einem Artikel der NW, Bielefeld vom 03.12.2009 auf den folgenden Sachverhalt hin, der besonders Angesichts des in München laufenden Verfahrens gegen Ivan Demjanjuk interessant sein dürfte:

„…kleine Befehlsempfänger wie zum Beispiel Angehörige der Erschiessungs- oder Absperrkommandos sollten im Allgemeinen nicht unter Anklage gestellt werden.“

Dieses Zitat stammt aus einem Urteil des Bielefelder Landgerichts vom 4. November 1959. Damals wurde Ewald Sudau freigesprochen. Der stand wegen Beihilfe zum Mord in 130 bis 150 Fällen vor Gericht. Sudau verließ das Gericht nach nur zweitägiger Verhandlung als freier Mann. Die Richter hatten sich offenbar mit der im Vorjahr gegründeten Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigshafen beraten oder gar abgestimmt? In späteren Urteilen der Landgerichte Hamburg und Stuttgart hieß es: “ Gegen die letzten Mitglieder der Kette innerhalb der Mordmaschine, zum Beispiel die Todesschützen, die – auf Grund welcher Umstände auch immer – ihre Taten selbst, vorsätzlich und eigenhändig begehen, wird im Normalfall gar nicht Anklage erhoben“ (LG Hamburg, 17. Mai 1976) Eine anderslautende Entscheidung würde jetzt noch die strafrechtliche Verfolgung ALLER (!) deutschen Polizeikräfte und zum Teil auch Wehrmachtsangehörigen, die im Ostraum bei AUSSIEDLUNGSAKTIONEN zu bloßen Absperrdiensten kommandiert worden sind , nahelegen…“

Der niederländische Strafrechtsexperte Christiaan F. Rüter glaubt deshalb nicht an eine Verurteilung von Ivan Demjanjuk:
Die westdeutsche Justiz habe bis heute zu einem gewissen Grad Täterschutz betrieben. „Das ist zwar eine Richtlinie, aber diese werde peinlich genau eingehalten, obwohl Staatsanwaltschaft oder Richter überhaupt nicht daran gebunden seien. So werde vorgegangen. Diese kleine Leute fänden sich nicht bei den verurteilten NS-Tätern der letzten vierzig Jahre!

In der ARD-Doku DER FALL IVAN DEMJANJUK sagte er sinngemäß: „Es sei ihm völlig schleierhaft, wie jemand, der die deutsche Rechtsprechung bis jetzt kenne, glauben könne, dass man Demjanjuk verurteilen werde.“

Was also findet da in München statt? Ein Schauprozeß? Die Opferung eines schuldigen, senilen Sündenbocks zur finalen Reinwaschung der deutschen Justiz? Bei dieser juristischen Vorgeschichte und seinem Freispruch in Israel, der allerdings wegen Verwechslung erfolgte, bewegt sich die deutsche Justiz auf sehr dünnem Eis…

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